Groß ist das Interesse der Bürger aus Kleinwallstadt und Umgebung an dem neuen Streuobst-Erlebnisweg des Aktionsbündnisses Streuobst. Rund 150 Interessierte kamen am Sonntag, 15.05.2011, trotz wechselhaften Wetters zum Ausgangspunkt hinter der Wallstadthalle, wo bei der von Helmuth Rittger von der Gemeinde organisierten Eröffnungsfeier Mitglieder das eigene Stöffche und selbst gekelterten Apfelsaft ausschenkten.
Die meisten Gäste nahmen am anschließenden ersten Erkundungsgang teil, der über 1,8 Kilometer zuerst nach Süden, vorbei am Wasserhaus und entlang dem Flurgraben zurückführte. Steinkäuzchen Athene leitete die Spaziergänger auf dem in beiden Richtungen gut beschilderten Rundweg, auf dem man tierischen Landschaftspflegern wie Schafen, Pferden und Zebus begegnet.
Beeindruckende Insektenorgel
Mit Ausrufen wie »ganz toll« und »klasse gemacht« zeigten sich die Teilnehmer begeistert. Die Anregung, an den Tafeln und Erlebniselementen aktiv zu werden, sprach besonders die Jugend an. Das solarbetriebene Eco-Board mit Tierstimmenrätsel, das auf Knopfdruck antwortet, fand dabei ebenso rasch neue Fans wie das Lesepult, auf dem jahreszeitliche Märchen rund um den Apfel zu finden sind. Eindruck machte die große Insektenorgel, die mit ihren Maßen Aussicht hat, das weltgrößte Insektenhotel zu werden. Staunen rief der uralte, gut 100-jährige Apfelbaumveteran bisher unbestimmter Art hervor, der durch ein Fernrohr ins Visier genommen werden kann.
Bürgermeister Köhler freute sich, dass mit dem Streuobst-Erlebnisweg das erste von 36 Leitprojekten im Landkreis fertiggestellt ist, die mit dem EU-Programm Leader in Eler im ländlichen Raum gefördert werden. Die Ideen und die Arbeit der Mitglieder des Aktionsbündnisses sowie zahlreiche Sponsoren (siehe »Hintergrund«) hatten es möglich gemacht. Das Material stammt von der Firma Cognitio, das Forstpersonal um Hubert Astraschewsky fertigte die stabilen Holzstationen und baute sie auf. Von den 25 000 Euro Kosten trägt der Markt Kleinwallstadt 10 000 Euro, Leader in Eler dieselbe Summe, den Rest brachten Sponsoren auf.
Als »Motoren« des Projekts hob Köhler die Brüder Matthias (Bund Naturschutz) und Thomas Staab (Landesbund für Vogelschutz) heraus, für deren Arbeit mit viel Herzblut es spontanen Beifall von den Teilnehmern gab. Apfelbäume spielten seit jeher eine große Rolle in Kleinwallstadt, so der Bürgermeister. Umso mehr, als nach Missernten der Weinbau am Ort aufgegeben worden war. Dadurch, dass es keine Flurbereinigung gab, bestehe ein 98 Jahre alter unberührter Streuobstbestand am Fuß des Plattenberges.
Wissen weitergeben
Da dieser zu verwildern drohte, setzte sich das Aktionsbündnis vor Jahren das Ziel, zusammen mit der Gemeinde unter anderem über Pflegemaßnahmen zu aufzuklären und das Obst zu vermarkten. Die neueste Idee, ganzjährig Wissen an Schüler, Gäste und Interessierte weiterzugeben, sei nun mit diesem Weg umgesetzt, zeigte sich Köhler zufrieden.
Ergänzt werden soll der Streuobst-Erlebnisweg mit weiteren Tafeln, auch über heimische Obstsorten. Zudem werden weiterhin Baumschnitt- und Kochkurse angeboten. Die LBV-Aktion für Schüler »Natur vor unserer Haustür« ist nach Auskunft von Thomas Staab schon angelaufen. Die Redner brachten in ihren Grußworten durchwegs Erinnerungen an ihre Kindheitstage zur Sprache, als Apfelblüte, Ernte und Keltern noch zum Alltag gehörten. Pfarrer Markus Lang und sein evangelischer Amtskollege Pastor Jakob Mehlig nahmen die kirchliche Segnung vor und mahnten den Erhalt von Gottes Schöpfung an. »Ein Streuobst-Erlebnisweg? Des hätt's früher net gäwwe«, versetzte Lang. Er sah es als Zeichen der Zeit, darzustellen, dass Äpfel nicht aus dem Supermarkt kommen, sondern auf Bäumen wachsen.
Landrat Roland Schwing bezeichnete das Streuobst nicht nur als prägend in der Region, sondern auch als wichtigen früheren Nebenerwerb. Noch vor 50 Jahren wäre die Idee eines solchen Erlebnispfades undenkbar gewesen, was eine drastische Veränderung der Einstellung zur Natur zeige. Inzwischen habe man sich im ländlichen Raum insgesamt wieder besonnen, diese identitätsstiftende Kulturlandschaft mit ihrer Artenvielfalt zu erhalten und zu schützen, damit nicht noch mehr verloren geht.
Alle 32 Gemeinden im Landkreis Miltenberg und fünf Kommunen im Landkreis Aschaffenburg sind laut Schwing am Förderprogramm Leader in Eler beteiligt, der Name der lokalen Arbeitsgruppe ist Main4Eck Miltenberg. 500 000 Euro seien für 36 Projekte beantragt, 28 müssten noch angegangen werden, bevor 2013 die erste Förderperiode ablaufe.
BN-Kreisvorsitzender Hans Jürgen Fahn, MdL, beklagte den großen Flächenverbrauch und forderte zum Schutz unberührter Biotope auf. 1988 habe der Bund Naturschutz begonnen, Baumpatenschaften zum Erhalt des Streuobstes zu vermitteln. Als Stichworte nannte er die regionale, klimaschonende Vermarktung es ungespritzten Obstes und den Artenschutz. In Kleinwallstadt arbeiteten Gemeinde und Naturschützer gut zusammen. Grußworte kamen auch von seinem Landtagskollegen Berthold Rüth.
Das Bläserquintett des Musikvereins Kleinwallstadt umrahmte die Feier. An Stellwänden dokumentierten Fotos Aktionen des Streuobstbündnisses. Bei einem Rätsel des LBV zum Thema Streuobst waren Preise zu gewinnen.
Text: Main Echo v. 17.05.2011 (Birgit Kuhn)