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Totengedenken am Volkstrauertag 2023

27.11.2023
Erinnerungen zum Volkstrauertag

Denise Bardet war Grundschullehrerin in der französischen Gemeinde Oradour-sur-Glane. Gern las sie Goethe, Schiller, Kleist und Heinrich Mann und vermittelte ihren Schülerinnen auch in Zeiten des Krieges ihre Bewunderung für die deutsche Litera­tur. Ihrer Mutter zuliebe nahm sie die Stelle an der örtlichen Mädchenschule an. Am 10. Juni 1944, wenige Tage nach der Landung der Alliierten in der Normandie, wurde Denise 24 Jahre alt. Ihren Geburtstag wollte sie am Abend mit ihren Kolleginnen feiern. Jedoch umstellte in den Nachmittagsstunden eine Kompanie des SS-Panzergrenadier-Regiments 4 das Dorf und ermordete die Männer, Frauen und Kinder. Oradour-sur-Glane wur­de zum Schauplatz des grausamsten Verbre­chens der deutschen Besatzer in Westeuro­pa.

In der Kirche des Dorfes wurden Denise Bardet, die 7- bis 8-jährigen Mädchen ihrer 2. Klasse und nahezu alle Frauen und Kinder des Dorfes mit weißem Phosphor erstickt, verbrannt oder erschossen. Gegenüber dem Altar, am Rande des Kirchenschiffs, hing ein Gedenkstein an die Toten der Gemeinde aus dem Ersten Weltkrieg. Die Täter schos­sen auch auf die Erinnerungstafel. Die Ein­schusslöcher sind bis zum heutigen Tag zu sehen. Das Dorf wurde vollständig zerstört.

Am 10. Juni 2024 jährt sich der Tag des Mas­sakers zum 80. Mal. Das heutige Oradour-sur-Glane, in der Nähe des alten Dorfes erbaut, hat bis zum heutigen Tag keine Partnerschaft mit einer deutschen Gemeinde inne.

Auch nach zwei Weltkriegen und dem Holocaust haben sich extreme Gewalt, Massaker und Verbrechen gegen die Menschlichkeit immer wieder in die Geschichte Europas eingeschrieben.

  • In den 1990er Jahren auf dem Westlichen Balkan, insbesondere mit der Belagerung von Sarajevo und dem Mas­saker in der „UN-Schutzzone“ Srebrenica.
  • In der Ukraine tobt seit 2014, insbesondere seit dem 24. Februar 2022, ein grausamer Krieg. Dort sichern Staatsanwälte die Spuren russischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Millionen von Frauen, Kindern und junger Menschen mussten ihre Heimat verlassen und haben auch in Deutschland und anderen Mitgliedsstaaten der EU Zuflucht ge­funden.
  • In diese verbrecherische Aufzählung müssen wir auch den Terroranschlag am 7. Oktober aufnehmen, als die islamistische Hamas auf israelitischem Staatsgebiet ein blutiges Massaker an der Zivilbevölkerung verübten. Dabei handelte es sich um den größten Massenmord an Juden seit dem Holocaust.

Bisweilen scheint es, als ob Menschen und Gesellschaften nicht aus der Geschichte ler­nen würden. Doch die Jahrzehnte nach 1945 brachten auch eines der größten politischen Wunder der Weltgeschichte: die europäi­sche Einigung. Europa ist heute in weiten Teilen befriedet und beweist, dass vormalige Konfliktregionen auch nachhaltig zu stabi­len, prosperierenden und demokratischen Friedensregionen werden können. Voraus­gesetzt Nationalismus, Rassismus und Men­schenfeindlichkeit kehren nicht zurück an die Macht.

Und dort, wo dem nicht so ist, müssen wir uns, sowie unsere Freunde und Verbündete schützen. Aus diesem Grund sichern seit diesem Jahr Teile des Panzerbataillons 363 aus Hardheim, darunter auch Soldaten unserer Patenkompanie, die Ostflanke der Nato in Litauen. Der Rest der 2. Kompanie, die ich heute mit Kompaniechef Hauptmann Schneemann an der Spitze ganz herzlich in Kleinwallstadt begrüßen darf, haben die Standortsicherung in Hardheim übernommen. Wir wünschen ein erfolgreiches Wirken im Sinne der Sicherheitswahrung sowie eine gesunde Rückkehr aus diesem brisanten Einsatz.

Geschichte ist kein Schicksal. Aus Erzfein­den können beste Freunde werden, wie die deutsch-französische Annäherung nach 1945 zeigt. Und anders als in Osteuropa waren in Frankreich Gewaltexzesse wie in Oradour-sur-Glane Ausnahmen der deutschen Besatzungspolitik. Der Weg zur Zusammenarbeit, ja zur Freundschaft mit Frankreich war vor diesem Hintergrund für die Bundesrepublik nach 1945 um ein Vielfaches einfacher als beispielsweise die Annäherung an Polen.

Doch waren es nicht nur Staatspräsident Charles de Gaulle und Bundeskanzler Kon­rad Adenauer, die am 22. Januar 1963 mit dem Élysée-Vertrag eine bilaterale Verein­barung unterzeichneten. Die Annäherung beider Regierungen war auch eine Folge des zivilgesellschaftlichen Engagements ungezählter mutiger Bürgerinnen und Bürger aus Deutsch­land und Frankreich. So wurde durch das große Engagement der damaligen Bürgermeister bereits 1950 eine Städtepartnerschaft zwischen der französischen Stadt Montbéliard und dem deutschen Ludwigsburg begründet.

Heute bestehen mehr als 2.200 solcher Städtepartnerschaften und wir können uns in Kleinwallstadt stolz und glücklich schätzen, mit unserer inzwischen über 32 Jahre währenden herzlichen Freundschaft zu St. Pierre en Auge ein kleines, aber wichtiges Mosaiksteinchen zur Versöhnung unserer beiden Länder beitragen zu können. 

Nahezu 10 Millionen junge Menschen nahmen an den Programmen des Deutsch-Französischen Jugendwerks teil, das häufig als das „schönste Kind des Élysée-Vertrages“ bezeichnet wird. Die Sprache des Nachbarlandes wird gelernt, gemeinsames Engagement gelebt, grenzüber­schreitende Projekte werden auf den Weg gebracht, Freundschaften ge­schlossen und deutsch-französische Familien gegründet. Wissenschaftliche Studien zeigen: Wer für mehrere Tage in die Schuhe der anderen schlüpft, in einer Gastfamilie lebt und selbst zur Gastgeberin oder zum Gastgeber wird, macht oft eine „lebensprägende Erfahrung“.

 Anders als in der Ukraine geht für junge Menschen in Deutschland und Frankreich heute die größte Bedrohung nicht mehr vom Nachbarland aus. Zu Recht ist für sie die größte Herausforderung unserer Gegenwart der Klimawan­del – für 67 Prozent der jungen Menschen in Deutschland und für 62 Prozent in Frankreich. Nur gemeinsam lösen wir die multiplen Krisen unserer Zeit, allen voran Krieg und Kli­mawandel.

Der Motor der deutsch-französischen Zusammenarbeit ist hierbei Vertrauen, das auf den verschiedenen Ebenen unserer Gesellschaften in Netzwerken ent­steht und gelebt wird. Unsere Regierungen finden auch bei unterschiedlichen Interessen und Prägungen im vertrau­ensvollen Austausch Kompromisse, die oftmals für ganz Europa einen Weg bauen. Die generationsübergreifenden Netzwerke des Vertrauens sind eine der kostbarsten Errun­genschaften der deutsch-französischen Zusammenarbeit. Was für die deutsch-französische Freundschaft gilt, die wir im 60. Jubiläumsjahr des Élysée-Vertrages so festlich feiern, gilt auch insgesamt für das europäische Einigungsprojekt. Hier spielen gerade die deutsch-französischen Schüleraustausche eine wichtige Rolle. Keineswegs ist Europa ein Elitenprojekt, sondern eine ein­zigartige Chance für jeden jungen Menschen. Freundschaft in und mit Europa ist die beste Prävention gegen Nationalis­mus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit.

In Zeiten der Desinformation und der Geschichtsverdre­hung ist eine gemeinsame europäische Erinnerungskultur grundlegend. Gerade weil nur noch wenige Überlebende unter uns sind, entsteht die Zukunft der Erinnerung mehr denn je auch im europäischen Jugendaustausch.

Mit 20 Jah­ren hatte Denise Bardet im Dezember 1940 in ihr Tagebuch geschrieben: „Es könnte doch alles so einfach, so gut, so an­genehm sein! Werden die Menschen denn nie ihr Paradies auf dieser Erde errichten? Arme Verrückte, die sich unnütz verschwenden. So viele Reichtümer schlummern in ihnen, doch sie ignorieren, begraben das, um ihre gemeinen und schädlichen Gedanken der Zerstörung walten zu lassen! Wie wäre die Welt schön und lebenswert, wenn jeder nur seine guten Neigungen in sich erblühen lassen könnte!“

Wir denken heute

an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.

Wir gedenken

der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshand­lungen oder

danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.

Wir gedenken derer,

die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten,

einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben

wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.

Wir gedenken derer,

die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben,

und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.

Wir trauern

um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und

politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und

anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.

Wir gedenken heute auch derer,

die bei uns durch Hass und Gewalt Opfer geworden sind.

Wir gedenken der Opfer von Terrorismus und Extremismus, Antisemitismus und Rassismus in unserem Land.

Wir trauern mit allen,

die Leid tragen um die Toten und teilen ihren Schmerz.

Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.

Kategorien: Pressemitteilung Markt Kleinwallstadt

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